Hallo, mein Name ist Viola, ich bin 19 Jahre alt und komme aus Heinsberg. Ich absolviere einen Friedensdienst in Oświęcim, besser bekannt als Auschwitz.
Schon ganze 5 Monate lebe ich hier und vor einem Jahr noch hätte ich niemals gedacht, das ich hier einmal leben werde. Es war nicht mein Plan nach Polen zu kommen, erst recht nicht nach Auschwitz, ein Ort an dem Grausames passiert ist. Ich hatte mich für einen Friedensdienst im Kosovo beworben. Ich habe albanische Wurzeln. Meine ganze Familie ist im Kosovo geboren, ich, in Deutschland. Wieso erzähle ich all das? Ich möchte das ihr meine Beweggründe kennt und mich somit besser kennenlernt. Als ich jünger war, konnte ich mich nicht mit der albanischen Kultur identifizieren und nicht anfreunden. Nicht, weil ich nicht wollte, sondern, weil ich nicht konnte. Eine innere Blockade. Ich lebe in Deutschland, jedoch in einem albanischen Haushalt. Zuhause wird albanisch gesprochen und die albanische Kultur wird ausgelebt. Sobald ich das Haus verlasse, bin ich nur noch mit der deutschen Kultur und Sprache konfrontiert. Ich bin also mit zwei Kulturen aufgewachsen und das ist mal so gar nicht einfach. In Deutschland bist du keine Deutsche und im Kosovo bist du keine Albanerin. Dann sage mir doch, wer bin ich und wo gehöre ich hin? Ich wollte eine ganz lange Zeit, keine Albanerin sein. Ich dachte es wäre einfacher die deutsche Kultur anzunehmen, da ich nun mal dort geboren bin und lebe. Ich habe mich geweigert die albanische Sprache zu sprechen, wollte die Musik nicht hören und erst recht nicht in den Kosovo fahren. Meine Eltern konnten das nie verstehen. Sie versuchten es, aber sie konnten nicht. Sie haben dieses Problem nicht. Sie wissen wer sie sind und wohin sie gehören. Aber auch die deutsche Kultur konnte ich nicht vollständig annehmen, da auch diese Welt nicht meine war und nicht ist. Mit einem Fuß stehe ich im Kosovo, mit dem anderen in Deutschland und kann mich nicht entscheiden. Ich bin älter geworden und gehe heute damit ganz anderes um. Ich habe akzeptiert, das ich gleichzeitig in zwei Welten lebe. Ich habe gelernt, das ich mich nicht für eine Seite entscheiden muss, sondern mir das Beste aus beiden Welten raussuchen kann. Aber selbst heute, habe ich Momente, in welchen ich mich fehl am Platz fühle. Dieses Gefühl kommt und geht. Vielleicht gehöre ich nirgendwo hin, aber das macht es leichter überall ein wenig dazu zugehören. Ich habe kein Problem damit in ein neues Land zu reisen und Kultur und Sprache kennenzulernen. Das ist mir erst hier in Polen klar geworden. Aber dazu erzähle ich gleich mehr. Ich wollte meinen Friedensdienst im Kosovo absolvieren, um meinen Wurzeln näher zu sein. Ich wollte das Land, die Sprache und Kultur ganz anders erleben und meinen Eltern beweisen, dass ich versuche ihr Land, ihre Sprache und Kultur genau so zu lieben, wie sie es tun. Leider wurde ich für die Stelle im Kosovo nicht angenommen. Stattdessen bot man mir die Stelle in Auschwitz an. Während ich am Telefon sagte, das ich darüber nachdenken werde, habe ich mich bereits dagegen entschieden und dennoch konnte ich an diesem Abend nicht schlafen. Ich musste die ganze Zeit über den Ort nachdenken, Also lies ich viel über Auschwitz, über die Arbeitsstelle und schaute mir sogar die Stadt auf Google Maps an. Ich entschied mich doch zu gehen. Irgendwas ganz tief in mir, sagte mir das ich nach Auschwitz muss. Ich hätte es bereut, wäre ich nicht gegangen und es hätte wirklich nicht besser kommen können. Ich durfte diesen Ort, die Kultur und Sprache auf eine Art und Weise kennenlernen, wie es nicht jeder kann. Von Anfang an fühlte ich mich unfassbar wohl hier und konnte mich sehr schnell hier einleben. Täglich lerne ich etwas neues, lerne neue Städte und interessante Menschen kennen. Ich freue mich auf die kommenden Monate und hoffe wirklich, das ich wenigstens ein wenig zur Erinnerungskultur beitragen kann.
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